Rechte Hauptzeile 25

Lichtspiele 

Der Hornsteiner Kino-Pionier Emil Hussy kam am 21.9.1874 in Ritzing, ungarisch Réczény, Westungarn, zur Welt.
Dort besuchte er die ungarische römisch-katholische Volksschule, begann am 15. September 1889 die Lehre zum Handelsgehilfen in einer Spezialwarenhandlung in Raab/Győr und schloss diese am 15.September 1889 mit der Gesellenprüfung in ungarischer Sprache ab.
Am 30. September 1899 ehelichte er Juliane König aus Eisenstadt/Kismarton in der Eisenstädter Bergkirche. Getraut wurde er von Pfarrer Karl Varich, dem späteren Propst und Ehrenbürger von Hornstein.

Im Juli des Jahres 1900 siedelte sich das Ehepaar in Hornstein an und mietete das Bauernhaus Nr.29, heute Linke Hauptzeile 28. Hier kamen zwei Töchter zur Welt, 1901 Olga und 1903 Ludmilla. Um 1910 wurde ein Teil des Hauses von Theodor Marold Nr. 86, heute Rechte Hauptzeile 21, bezogen.

1912 begann sich Emil Hussy mit der Kinomatographie zu befassen und kaufte in Ödenburg eine Filmvorführungsmaschine samt Sitzeinrichtung. Er mietete sich im Tanzsaal des Gasthauses Josef Strauss ein. In diesem improvisierten Lichtspieltheater, welches eines der ersten in Westungarn war, wurden Schwarzweiß-Stummfilme gezeigt.

Die Vorführungen waren vorerst auf den Sonntag beschränkt. Meist gab es zwei Vorstellungen. Um 10 Kreuzer Eintrittsgeld konnte man eine Vorstellung besuchen. Die Stummfilme kamen zumeist aus Amerika. Diese Vorführungen bewegter Bilder lockten viele Zuseher an. Alte Leute erzählten, dass manche sogar in Panik gerieten, wenn etwa ein Zug über die flimmernde Leinwand raste. Ein Film, der die Hornsteiner sehr bewegte, war der Streifen „Leiden Christi“.

Der dafür notwendige Gleichstrom wurde selbst erzeugt. Ein Benzin- bzw. Petroleumdampfer betrieb einen Gleichstromdynamo, um den Strom für das Bogenlicht der Ernemann-Maschine und das Saallicht zur Verfügung zu haben.

Der Erste Weltkrieg legte den Betrieb des Lichtspieltheaters lahm. Emil Hussy wurde kriegsdienstverpflichtet und arbeitete in einer Munitionsfabrik für Kaiser, Volk und Vaterland. Mit Hilfe seines Freundes, des Notärs Georg Eördögh, gelang es ihm, sich der Einberufung in die k.u.k-Armee zu entziehen. Er überlebte den Krieg unversehrt an der Heimatfront und widmete sich nach Kriegsende sofort seinem Lichtspieltheater im Gasthaussaal.

Der Wunsch nach einem eigenen Lichtspieltheater war groß. Hussy erhielt einen Dämpfer, als bei der Gemeinderatssitzung am 18.11.1920 die Notwendigkeit eines Kinotheaters in Hornstein mit 11 gegen 2 Stimmen und 3 Stimmverweigerungen mit der Begründung „nächtliche Ruhestörung“ abgelehnt wurde.

In dieser Zeit blühte an der ungarisch-österreichischen Grenze der Schmuggel. Für Hussy eine Gelegenheit, seine finanzielle Situation zu verbessern. Es gelang ihm mit Hilfe seiner jüngsten Tochter Ludmilla zwei in Sopron gekaufte Ochsen über die Landesgrenze nach Landegg zu schmuggeln. Das so verdiente Geld konnte Hussy für die Errichtung eines Kinos verwenden.

1922 erwarb er das Bauernhaus Nr. 81, heute Rechte Hauptzeile 25, von der Witwe von Stefan Szinovatz, Sidonia Szinovatz, geborene Trapichler. Hussy suchte bei der Gemeinde um die Kinolizenz an. Der Antrag wurde abgelehnt. Die Gemeinde wollte selbst die Lizenz erwerben und sie an Hussy weiterverpachten. Im Gemeinderatsprotokoll vom 31.12.1922 heißt es, dass er so gezwungen werden sollte, sich um seine kranke Frau und die drei Kinder zu kümmern, denn er lebe derzeit mit einer Frauensperson in Wien und komme nur zu den Spielzeiten am Samstag und Sonntag nach Hornstein. Diesen unmoralischen Lebenswandel wolle die Gemeinde nicht unterstützen. Am 6. Juli 1924 wurde dieser Beschluss allerdings aufgehoben. Die Gemeinde verzichtete auf die Lizenz, bewilligte den Verkauf von alkoholfreien Getränken und Süßwaren während der Vorstellung und legte die Überwachungsgelder für den Gemeindepolizisten, der im Kino für die Einhaltung von Zucht und Ordnung zu sorgen hatte, auf 100.000 Kronen fest.

Emil Hussy besuchte ab 1924 den vorgeschriebenen Filmvorführerkurs in Wien und schloss ihn mit der staatlichen Prüfung zum Filmvorführer am 4.4.1925 erfolgreich ab. Nun war er endgültig berechtigt, ein Lichtspieltheater selbstständig zu führen.

Da Emil Hussy auch Lohndrusch für Hornsteins Bauern durchführte, wurde der Kinobetrieb während der Sommermonate Juli und August teilweise eingestellt, denn gerade während der Weltwirtschaftskrise warf das Lohndreschen mehr ab als der Kinobetrieb. Trotz intensiver Werbung war der Kinobesuch spärlich: Hussy stellte eine 4 Quadratmeter große Bretterwand auf Ständern vor sein großes Haustor, auf der er riesige Kinoplakate und eine Tafel mit Ausschnitten der Spielszenen mit Reißnägeln anbrachte, zusätzlich stellte er noch Schaukästen vor den Hornsteiner Gasthäusern auf und verkaufte um 10 Groschen Filmprogramme. 1928 betrug allein die Lustbarkeitsabgabe, die Hussy an die Gemeinde abzuführen hatte, 70 Schilling.

Filme, die besonders beeindruckten: Im Jahr 1927 war es der Streifen „I.N.R.I.“, im Jahr 1928 zählten dazu „Panzerkreuzer Potemkin“, „Der letzte Befehl“,  sowie „Die Todesschleife“ mit Werner Krauß. Es folgten 1929 die Filme „Flucht vor der Liebe“, „Der Ruf des Nordens“ mit Luis Trenker, „Der Graf von Monte Christo“, „Der Kuss“ mit Greta Garbo, „Der Hund von Baskerville“ oder „Die weiße Hölle von Piz Palü“ mit Leni Riefenstahl.

Bis 1930 wurden ausschließlich Stummfilme gezeigt. Mit dem Einbau einer Tonfilmapparatur im Jahr 1931 war auch das Abspielen von Tonfilmen möglich. Zwei Drittel der gespielten Streifen waren aber nach wie vor Stummfilme, diese wurden von Hornsteiner Musikern mit Klavier oder Violine untermalt: Martin Ruisz, Rudolf Graf, Julius Villander und Franz Kopinits wechselten einander ab.

Der Abschied vom Stummfilm im Jahr 1931 wurde im Hussy-Kino auf einem Plakat angekündigt: „Wegen Einbau einer Tonfilm-Apparatur vorübergehend geschlossen“. Die Wiedereröffnung erfolgte am 28. Oktober mit dem Tonfilm „Melodie des Herzens“ mit Filmliebling Willi Fritsch. In diesem Streifen sang er den Schlager „Bin kein Hauptmann, kein großes Tier, sondern nur ein Honvedmusketier“. Er sang sich in die Herzen der Hornsteiner Frauen von 17 bis 70. Noch wochenlang wurde dieser Schlager auf der Straße gesungen. Von den Frauen vergöttert und mit Lilian Harvey zum deutschen Liebespaar Nr. 1 hochgejubelt, leitete Willy Fritsch auch in Hornstein das Zeitalter der Filmidole ein.

1932 beantragte Hubert Abt aus Neufeld in Hornstein eine weitere Kinokonzession, die jedoch vom Gemeinderat mit der Begründung „kein Bedarf“ abgelehnt wurde.

Ein Erbschaftsstreit zwischen Emil Hussy und seinem Schwiegersohn, dem Sodawassererzeuger Josef Gassner, trieb Hussy beinahe in den finanziellen Ruin. Das ging so weit, dass 1932 Hussys Hab und Gut samt Kino nach langem Prozessieren fast unter den Hammer des gerichtlichen Zwangsverkaufes gekommen wäre. Das ist auf einem Plakat, auf dem sich Hussy an sein treues Kinopublikum richtete, dokumentiert. Darauf steht zu lesen, dass am Sonntag, dem 5. Feber 1933, um 19 Uhr die letzte Kinovorstellung stattfinden würde, weil es seinem Schwiegersohn, dem Sodawassererzeuger Josef Gassner „durch die derzeitigen Verhältnisse und unter Mitwirkung anderer Personen“ gelungen sei, den gerichtlichen Zwangsverkauf durchzusetzen. In letzter Minute konnte Hussy diese Zerstörung seiner Existenz abwenden. Der Spielbetrieb mit den Filmvorführern Emil Hussy, Johann Jaitz senior und junior wurde fortgesetzt.

Am 19. Mai 1937 verehelichte sich der zum Witwer gewordene Emil Hussy mit Karoline Emilie Steiger. Die politische Entwicklung in Deutschland veranlasste Hussy und seine Ehefrau, Mitglieder der noch illegalen NSDAP zu werden. Das Kinogeschäft lief schleppend. Hussy musste zulassen, dass auch mit Naturalien so manche Eintrittskarte erworben wurde – es wird erzählt, dass Frauen mit einem Bürdel Brennholz ihre Kinokarte bezahlten.

Beim Hitlereinmarsch in Österreich am 14.März 1938 prangte auch auf dem Kino die Hakenkreuzfahne. Hussy ließ ein „Führer-Bildnis“, umrahmt von Blumen und Hakenkreuzfahnen, im Kassenraum anbringen, das am Abend beleuchtet wurde. Auch die beiden Enden der Kinoleinwand waren noch bis März 1945 mit Fahnen geschmückt.

1938 wurden im Kino noch altösterreichische Filme gezeigt, wie „Die Landstreicher“ mit Paul Hörbiger und Luzie Englisch, „Oberleutnant Franzl“ mit Magda Schneider und Paul Kemp, „Die glückliche Ehe von Wien“ mit Maria Andergast und Wolf Albach-Retty oder „Lumpazivagabundus“ mit Heinz Rühmann und Hilde Krahl. Ein Jahr später wurden bereits nur mehr Filme der deutschen Filmstudios wie UFA, Tobis, Terra, Bavaria und Wienfilm gezeigt. Das Kino war sonntags Woche für Woche ausgebucht, Filmvorführer waren Johann Jaitz, Dominik Jech und Johann Palkovits. Die Eintrittspreise lagen zwischen 1 Reichsmark und 30 Reichspfennig. Die Nazi-Propaganda setzte erst 1940 mit dem Film „Feldzug in Polen“ voll ein. Während des 2. Weltkrieges wurde als Vorprogramm „Die deutsche Wochenschau“ zusätzlich gezeigt. In den Folgejahren bis 1945 beherrschte der Propagandafilm der Nazis das Kino: Kriegsverherrlichung in den Filmen „U-Boote westwärts“, „Kampfgeschwader Lützow“, „Bismark“ und Rassenhass in den antisemitischen Streifen „Jud Süß“, „Die Rotschilds“, „Ohm Krüger“ sollten den Glauben an den Endsieg und den Judenhass stärken. Hineingestreut wurden auch sentimentale und unterhaltsame Streifen, allerdings mit eindeutiger Verherrlichung nazideutscher Ideale – 1942 wurde der erste deutsche Farbfilm der UFA „Frauen sind doch bessere Diplomaten“ mit Marika Röck und Willi Fritsch in den Hauptrollen gezeigt.

Hussy trat nur einmal politisch in Erscheinung, als er sich 1942 leider ohne Erfolg dafür einsetzte, dass bei der Requirierung der Kirchenglocken zur Einschmelzung für die Kriegsmaschinerie das alte Zügenglöcklein aus 1535 als Kulturgut in Hornstein bleiben möge.

Am dritten Tag der russischen Besetzung Hornsteins musste Kinobesitzer Hussy mitansehen, wie zwei Rotarmisten vier Akte des zuletzt gezeigten Spielfilmes „Menschen im Sturm“ mit Olga Tschechowa im Hof aufrollten und in Brand setzten. Den dritten Akt und die Kinooptik konnte er noch retten und in Sicherheit bringen. An Aufführungen war nun nicht mehr zu denken.

Emil Hussy fiel als NSDAP-Mitglied unter das Entnazifizierungsgesetz. Das Kino wurde wegen Hussys Nazi-Mitgliedschaft unter öffentliche Verwaltung der Gemeinde Hornstein gestellt. Die neue von der KPÖ dominierte Gemeindeführung behielt sich vor, das Kino ab 1946 selbst zu betreiben. Vorerst wurde der Kommunist und KZ-Häftling Alexander Heiner mit dem Betrieb des Kinos betraut. Die Geschäfte führte seine Frau, die KPÖ-Funktionärin Mathilde Heiner. Am 10. Feber 1946 wurde der Kinobetrieb mit dem Streifen „Schrammeln“ wieder aufgenommen. Bis 1950 wurden vor allem sowjetische Filme von UNIVERSAL-FILM gespielt. Ab 1946 lief die russische Wochenschau „Nowostidnaja“ in Russisch mit deutschen Untertiteln, die als Draufgabe zum Spielfilm vorgeführt wurde. Später hieß das Vorprogramm von UNIVERSAL-FILM „Wir sind dabei“.

1947 trat Hussys Tochter Ludmilla das Erbe ihres Vaters an und erreichte 1951 bei der sowjetischen Besatzungsmacht die Rückgabe des väterlichen Betriebes an die Familie. In diesem Jahr wurden viele Kinos in Ostösterreich wieder ihren ursprünglichen Eigentümern zurückgegeben. Emil Hussy erlebte die Rücknahme der Enteignung nicht mehr, er verstarb am 12. März 1948 im 74. Lebensjahr.

 

Ludmilla Franz baute 1952/53 das Kino um. Die Ausrichtung des Saals wurde umgekehrt, die Kassa mit Eingang gegenüber dem Kirchenplatz angebaut. Mit zwei neuen Ernemann-Maschinen und einer Breitleinwand war man sogar für Cinemascope-Filme gerüstet. Die russische Zensur war aufgehoben. Als Vorprogramm lief die Französische Wochenschau „Les actueles de France“ in deutscher Sprache, fallweise die amerikanische „Welt im Film“ und schließlich die „Austria Wochenschau“ und „Fox – die tönende Wochenschau“. Filmvorführer waren abwechselnd Erich Neumann, Gerald Schlag, Franz Zsuganits, Franz Raimann, Günter Wersching, Heinz und Erwin Franz.

1968 übernahm Sohn Heinz Franz nach der Pensionierung seiner Mutter den Kinobetrieb. Doch schon längst zeichnete sich das Kinosterben ab. Das Fernsehen hatte Einzug gehalten und wurde zur übermächtigen Konkurrenz. Zunächst kam es beim Kino Hornstein zu einem unregelmäßigen Spielbetrieb mit Sommerpause, mit Jahresende 1979 wurde das Kino endgültig geschlossen. Am Mittwoch, dem 2. Juni 1982, wurden die Ernemann-Maschinen für den rumänischen Film „Vlad Dracul“ im Rahmen der rumänischen Woche in Hornstein noch einmal aktiviert. Dann wurde es still um das Hussy-Kino.

Das Haus stand lange leer, ehe es der Arzt Dr. Johannes Reisner 1998 käuflich von den Brüdern Erwin und Heinz Franz erwarb und nach einem aufwendigen Umbau in eine Arztordination mit Wohnung umwandelte.

 

Quelle : übermittelt von der Gemeinde Hornstein
Fotos : Gemeinde Hornstein
Ein Beitrag gefördert vom Land Burgenland

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