für Lehrer Nicka
Ein besonderes Weihnachtsgeschenk
Nach meiner Dienstzeit in der Volksschule Pilgersdorf unterrichtete ich fast vierzig Jahre lang in der Hauptschule Stadtschlaining Deutsch, Geschichte und Geografie.
Der Schulsprengel umfasste mehrere Gemeinden, u.a. auch die kleinen kroatischen Dörfer am Hang des Günser Gebirges rund um Rechnitz.
Aus einer solchen kroatischen Gemeinde kam der kleine Karli, dem besonders die deutsche Sprache große Schwierigkeiten bereitete. Er tat sich nicht nur mit der Rechtschreibung schwer, sondern seine Schularbeiten wimmelten nur so von Stil-und Ausdrucksfehlern und glichen nach meiner Verbesserung gleichsam einem roten Meer. Außerdem war seine Schrift kaum lesbar, auch für ihn nicht, daher bat er mich immer wieder, seinen Aufsatz vorzulesen, denn er meinte, ich könnte seine Schrift besser lesen als er. Als ich einmal in der letzten Stunde vor Weihnachten die Klasse betrat, war es mäuschenstill. Auf dem Lehrertisch lag ein kleines, in Weihnachtspapier gewickeltes Päckchen. Auf der großen Schultafel daneben stand wie jedes Jahr mit roter Kreide geschrieben:
„ Der Klassenrat hat beschlossen, wer nicht vorliest, wird erschossen!“
Die Schüler erhofften sich in der letzten Unterrichtsstunde vor Weihnachten keinen anstrengenden, stressigen Unterricht. Ich tat so, als ob ich von dem allen nichts gehört und gesehen hätte. Als ich sie aufforderte, die Hefte herauszunehmen, bemerkte ich ein leises Murren. Es wurde immer lauter. Widerwillig öffneten sie ihre Schultaschen und legten ihre Bücher und Hefte auf die Bank. Sie hatten sich die letzte Stunde vor Weihnachten anders vorgestellt. Als ich dann noch meinen Notizblock aus der Brusttasche nahm und fragte, wer denn heute zu prüfen sei, erhob sich plötzlich der kleine Karli von seinem Platz und sagte mit strahlendem Gesicht:
„Herr Fochlehrer, es is jo bold Weihnochten,
deis Packerl, dou am Tisch is für Iahna, und i(ch) wünsch` Iahna frohe Weihnochten!“
Als ich ihm erklärte, dass es für die Lehrer nicht erlaubt wäre, Geschenke anzunehmen, war er sehr traurig, und er bat mich flehentlich, doch hineinzuschauen.
Langsam und bedächtig öffnete ich das kleine Päckchen, das in ein buntes Weihnachtspapier gewickelt und mit einem roten Bändchen verschnürt war.In einer kleinen Schachtel lagen fünf rote Kugelschreiber. Karli, der inzwischen zum Lehrertisch kam und mir aufgeregt beim Öffnen des Packerls zuschaute, sagte mit einem zufriedenen Lächeln:
„Herr Lehrer, dei hout Iahna as Christkindl broucht, wal`s ba mir immer sou vül roti Kuglschreiber brauchen. Und außerdem fügte er noch hinzu:
„ Und wann i amoul a Mechaniker bin, kinna`S mit`n Auto gratis a Service ah naoun ba mir mocha!“ Es wurde eine gemütliche Unterrichtsstunde, in der ich der Klasse einige schöne Weihachts-geschichten vorlas.
Der Karli ist ein sehr guter Mechaniker geworden, beim Service war ich mit meinem Auto jedoch nie bei ihm.