mit der Dampfeisenbahn
Edis Schulweg
Nach der fünften Volksschulklasse in Unterschützen besuchte ich das Gymnasium in Oberschützen, das vor mehr als hundert Jahren vom evangelischen Pfarrer Gottlieb August Wimmer gegründet wurde. Es gab für mich zwei Möglichkeiten, in die Schule zu kommen. Entweder ich gehe querfeldein zu Fuß, oder ich fahre mit der Dampfeisenbahn. Der Zug hielt am Bahnhof in Unterschützen, der ca. zwei km von meinem Elternhaus entfernt war. Der Schulweg zum Bahnhof war abwechslungsreich und teils beschwerlich. Besonders im Winter, wenn es klirrend kalt und finster war, und der Sturm den Schnee über die Felder trieb, wäre ich am liebsten zu Hause geblieben. Aber wegen des schlechten Wetters die Schule zu schwänzen, das hätte mir mein Vater niemals erlaubt. Der längere Weg, den ich normalerweise benutzte, führte durch das Dorf. Er war interessanter, weil auch andere Schulkameraden diesen Weg wählten. Wir tauschten Erfahrungen aus, plauderten über die Schule, prüften uns gegenseitig ab oder schmiedeten Pläne, wie wir unsere Freizeit nach der Schule gemeinsam gestalten könnten. Oft kam es vor, dass ich in der Früh meine „sieben Sachen“ nicht rechtzeitig zusammenbrachte, und ich daher den kürzeren Weg zum Bahnhof nehmen musste, der über Felder und Wiesen führte. Auf das Frühstück musste ich natürlich verzichten. Wenn der Zug mit einem lauten, schrillen Pfeifsignal vom Bahnhof in Oberwart abfuhr und dabei schwarze Rauchwolken aus der Lokomotive gegen den Himmel stiegen, dann wusste ich, dass ich nur noch im Dauerlauf den Zug erreichen konnte.
Manchmal erwischte ich ihn gerade noch in letzter Sekunde.
Dabei kam es manchmal vor, dass ich auf den schon langsam anfahrenden Zug aufspringen musste.
Der Zug schlängelte sich langsam durch Wiesen und Felder, dabei hatte die Lokomotive große Mühe die vielen Waggons, die fast nur mit Schülern besetzt waren, über den kleinen Bergrücken zu ziehen. Man hatte das Gefühl, sie würde schlapp machen und sich ausrasten. Erst, wenn der Heizer wieder ordentlich einheizte, bekam sie wieder die nötige Kraft und ließ wie ein Feuerross die Funken sprühen.
Die Waggons waren fast immer überfüllt.Einen Sitzplatz zu ergattern, war daher kaum möglich. Manchmal war nur ein Stehplatz auf der Plattform im Freien die einzige Alternative. Nicht angenehm war es, wenn sich die Funken aus der Dampflok in den Haaren, die damals noch reichlich vorhanden waren, verfingen. Der schwarze, beißende Rauch verhüllte das Gesicht und brannte in den Augen.
Die Sitzplätze im Inneren des Waggons wurden nach einer gewissen Rangordnung besetzt.
Die Jüngeren mussten den Älteren ohne Widerrede weichen. Wer Widerstand leistete, wurde gewaltsam vom Sitzplatz entfernt.
Einen bequemen Sitzplatz zu haben, war ja nicht nur angenehm, sondern auch notwendig, um die Latein- oder Mathematikhausaufgabe vom Sitznachbarn abschreiben zu können.
Zu einem Versteckspiel kam es, wenn der Schaffner die Monatsausweise überprüfte, und ich wieder einmal den Ausweis vergessen hatte. Bis der Schaffner den Waggon verließ, wurde das Klosett zum geeigneten Zufluchtsort.
Die Heimfahrt am Nachmittag war nicht mehr so stressig und auch bequemer, denn da durften wir sogar manchmal in einen Triebwagen, den „Blauen Blitz“, einsteigen. Trotz der Beschwerlichkeiten, die mein Schulweg mit sich brachte, möchte ich keinen Tag missen, an dem ich mit dem Zug mit der qualmenden Dampflokomotive und den unbequemen Waggons zur Schule fuhr.
Schade, dass der Jugend heute dieser für die Entwicklung so wichtige Schulweg vorenthalten wird.