Das Weisse Reh vom Merkenstein

Ein alter Hochzeitsbrauch aus der Gegend um Bad Vöslau

 

 

Die ausgedruckte Geschichte „Vom weißen Reh vom Merkenstein“ wird mit einem roten Band oder Wollfaden um eine Weinflasche gebunden.
Das Band/der Faden wird nachdem die Flasche ausgetrunken ist, abgenommen und locker – mit einem Friedensknoten oder
auch Weberknoten (findet man auf youtube) um einen Ast gebunden. Vor dem Festziehen des Knotens sprechen die beiden frisch Vermählten ihre Wünsche durch und überlassen es dem Wind, ihre Anliegen den Feen und Geisterchen zu erzählen.
Alles Gute!

Zu Merkenstein war einst ein junger Jäger in Dienst, zuständig für den Nachschub und Vorbereitung zur Jagd.
Zu jener Zeit war es üblich in der Adelsgesellschaft, die jungen Damen als Zofen an anderer Höfe zu schicken. Und eine
der Zofen war die Seelenverwandte des Jägers. Wann immer es ging, plauderten und tratschten die Beiden, wohl wissend, dass es nie mehr als
eine Seelenfreundschaft werden darf. Als ein junger Adeliger um die Zofe freite, freute sich der Jäger wirklich von Herzen, denn er
kannte den jungen Mann von den Jagden – ein ehrlicher, herzlicher junger Mann. Besser konnte es die Zofe nicht treffen. So suchte er
nach einem Brautgeschenk für die Beiden.

Im ganzen Land ging die Fabel vom weißen Reh – einem Zauberwesen, das durch die Wälder um Merkenstein zog und
wenn es am Waldrand austrat und an den Weinblättern naschte, so verwandelte es diesen Weingarten in einen Zaubergarten.
Wer zur Hochzeit einen Wein davon bekam – umwickelt mit einem roten Wunschfaden – der wird den Segen des weißen Rehs
erleben. Und er wird diesen Segen ein Leben lang spüren, wenn er den Segen nur etwas pflegt und achtet.
Oft schon hat der Jäger das weiße Reh bei seiner Morgenpirsch gesehen – oben am Pirch, wo der Wald bis an die Rebstöcke reicht.
Und so wusste er bei welchem Weinhauer er ein Fläschchen dieses Segenswein holen konnte und schenkte ihn der
Zofe – ein Präsent für ihren großen Tag.

Als die Herrin zur Merkenstein – eine harte, ungeliebte Frau davon hörte, entbrannte sie in heftigen Zorn.
Sie ließ die Zofe in den Turm sperren und den Jäger rufen.
„Was fällt dir ein, du Elender, einer unbedeutenden Zofe ein so wertvolles Geschenk zu machen. Mir als Herrin musst du
damit etwas Wertvolleres bringen. Erst dann wird die Zofe wieder aus dem Turm entlassen. So verlange ich das Fell des
weißen Rehs von dir, um meiner Ehre gerecht zu werden.“

Der Jäger wusste, dass, wer einem der Zauberwesen etwas antut, noch im selben Jahr dem Tod anheimfallen wird.
Trotzdem ging er rauf aufs Pirch und wartete auf das weiße Reh. Genau vor seinem gespannten Bogen trat das weiße Reh
vor ihm aus dem Wald. Aber er brachte es nicht übers Herz zu schießen. Anstatt begann er dem Reh zu erzählen, was geschehen war.
Das verwandelte es sich vor seinen Augen in eine Fee und lächelte ihn an .

„Ich weiß was geschehen! Brich die Spitze von deinem Pfeil und schieße ihn in die aufgehende Sonne.
Dann kehre heim zum Schloss und alles wird gut werden.“
Dazu reichte sie ihm eine Scheibe aus Bernstein. „Jedes Mal, wenn du durchsiehst, wirst du die Weingärten erkennen,
die zum Zaubergarten geworden sind. „

Als der Jäger zum Schloss kam, erfuhr er, dass die Gräfin bei Sonnenaufgang tot umgefallen ist und der Graf
all ihre ungerechten und bösen Anordnungen zurückgenommen hat.Wohl wissend, dass da Mächtigeres im Spiel war
als irdisches Geschehen.
Der Jäger kündigte seinen Dienst auf und sorgte dafür, dass allen, die um den Segen des weißen Rehs
für ihre Verbindung baten, auch den Zauberwein bekamen.

Und so hat sich dieses Wissen in den Weinbaugemeinden rund um Merkenstein erhalten und die Gärten
ganz oben am Pirch Zaubergärten sind für immer geblieben.

Quelle:herzlichen Dank an Hannes Königsecker /Lindgraben
Fotos:pixabay; (C) Brigitta Trsek

WordPress Cookie Plugin von Real Cookie Banner