Sechshausergasse

Erfolgreiche Rettung aus dem Kettenbrunnen

Franz Hannabauer sen., geb. 1904, schaufelte am 19. August 1953 in Oggau am Neusiedler See, Sechshausgasse, Kalkmergel, im Volksmund „Me(i)l“ genannt, von seinem Kuhwagen auf die Gasse, um es zu verteilen und in der Folge festzustampfen. Traditionell erfolgte diese Arbeit vor dem Kirtag (letzter Sonntag im August). 

Unvermittelt erschien der Nachbar Franz P. in der Toreinfahrt, tat einen kurzen Schritt heraus, schaute wirr nach links und rechts und nähert sich mit Riesenschritten dem Kettenbrunnen. Als er Anstalten traf, die Brüstung zu übersteigen, rief ihn Franz Hannabauer an: „Franzl was tust du da“. Trotz dieses warnenden Zurufes stürzte sich Franz P. in den 21 m tiefen Brunnen.  

Franz Hannabauer schlug Alarm und im Nu strömten viele aus ihren Häusern. In der Hektik des Geschehens herrschte für kurze Zeit Ratlosigkeit, bis Franz Hannabauer den hilfreichen Tipp gab, umgehend die Ortsfeuerwehr zu verständigen. Deren Kommandant Karl Reinprecht befahl lange Dachbodenleitern aneinander zu binden und in den Brunnen zu senken.  

Nun trat der Feuerwehrkommandant in Aktion: Aus Sicherheitsgründen mit einem Seil um die Körpermitte stieg er in den Kettenbrunnen, wo er völlig überraschend mit „Ja, Karl was tust du denn da“ begrüßt wurde. Mit beruhigenden Worten gelang es Karl den 43-Jährigen zu überreden, mit ihm nach oben zu steigen. Der Sturz ins eiskalte Wasser, könnte Franz P. wiederum zum klaren Verstand gebracht haben. Denn ein wandernder Splitter im Kopf, verwirrte Franz zeitweise, verursachte zudem Aggressivität, besonders bei übermäßigem Alkoholgenuss.  

Unter dem Jubel der Herbeigeeilten entstieg der tropfnasse Franz P. dem Brunnen. Für seine heldenhafte Tat erhielt Karl viel Lob und Anerkennung.  

 

Errichtet:  1862 unmittelbar nach der Hausplatzzuteilung an die ersten 6 Siedler der Sechshausgasse 
Bauweise:  Schachtbrunnen 
Schachttiefe:  21 m 
Wasserstand:  zum Zeitpunkt der Schließung: 5 m 
Wassergüte:  sehr kaltes, stark kalkhaltiges – hartes – Wasser, in der Temperatur aufgrund der Brunnentiefe während des Jahres kaum schwankend 
Brunnenstube:  am unteren Ende des Schachtes („Schachtfuß“) mit Holzplanken ausgekleideter Wasserraum zur Sammlung des Wassers, an der Stubensohle mit ca. 30 cm Feinkiesschicht überdeckt. 
Brunnenhaus:  zum Schutz vor Verunreinigung bzw. Witterungseinflüssen, jährlich vor dem Kirtag (letzter Sonntag im August) vom Brunnenmeister geweißt und mit einem kniehohem – meist dunkelblauem – Sockel bemalt, Eichenbalken im Innengewölbe als Träger des Schöpfwerkes 
Brüstung:  ursprünglich aus Holz angefertigt – ebenso wie das darüber angebrachte Schutzgitter 
Wasserauslaufrinne:  monolithisch (aus einem Stein gehauen), leitet das Wasser in den Grand 
Grand:  (bayr.-österr. für Wassertrog), früher wohl aus Stein, der heutige Grand stammt aus den 1930-er Jahren, für Viehtränke vorgesehen, aber auch zum Einweichen des Bandstrohs für die Weinreben und Getreidegarben, sowie als Planschbecken für die Kinder benutzt. 
Brunnenmeister:  abwechselnd ein Haushaltsvorstand in der Gasse – im jährlichen Turnus, Ansprech- bzw. Organisationsstelle bei der Wartung oder bei unvorhergesehenen Problemen rund um den Brunnen 
Brunnenkatze:  an einem langen Seil befestigtes Bündel von in- und aneinander geschmiedeten Haken verschiedener Größe, um Fremdkörper oder geborstene bzw. losgelöste Teile der Aufziehvorrichtung wieder heraufzuholen, wurde am Jahresende dem nächsten Brunnenmeister für das folgende Kalenderjahr weitergereicht und griffbereit aufbewahrt. 

Die kleingliedrige Kette mit den beiden hölzernen kegelstumpfförmigen, eisenbeschlagenen Schöpfeimern läuft über ein in der senkrechten Achse schwenkbares Klobenrad, sodass der heraufgezogene, volle Eimer zum Entleeren immer nach vorne geholt werden kann. 

Mit Errichtung der Ortswasserleitung im Jahre 1950 wurde die Benützung aus hygienischen Gründen untersagt. 

Kulturverein Oggau 

7/2007 

 

Quelle : ein Beitrag vom Prof. Rudolf  Rainprecht
Fotos : Prof. Rudolf Rainprecht
Ein Beitrag gefördert vom Land Burgenland

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