Nachbarstreit zu Wasser

6.November 1866 – Der „Seekrieg“ mit Oggau

Das Jahr 1866 war nicht nur von der kriegerischen Auseinandersetzung zwischen Österreich und Preußen, bei der die Habsburger in der Schlacht bei Königgrätz eine vernichtende Niederlage erlitten, geprägt.

Rivalitäten und gegenseitige Beschuldigungen zwischen Nachbargemeinden gibt es von der Steinzeit bis zur Gegenwart. Dass es dabei jedoch zu bewaffneten Auseinandersetzungen der Bürger zweier Orte kommt, geschieht Gott sei Dank äußerst selten. Doch1866 kämpften nicht nur die Armeen der Österreicher und Deutschen gegeneinander. Zwischen den Rustern und Oggauern gab es den berüchtigten „Seekrieg“, der zwei Tote und zahlreiche Verletzte forderte.

Unter anderem waren auch die Beziehungen der Ruster zu ihren unmittelbaren Nachbargemeinden am Seeufer nicht immer die besten. So auch zu Oggau. Umstritten war die Zugehörigkeit der Wiesen auf den „Erbfischwässern“, welche noch in der Planskizze zur Grenzbeschreibung der Gemeinde Rust vom Jahre 1855 als „Strittiger Theil mit Ruszt. Besitz in Oggau“ bezeichnet worden sind. Im Jahre 1866 berichtet nun die Zeitung „Österreichischer Volksfreund“ über eine kriegerische Auseinandersetzung zwischen den Rustern und Oggauern, welche als „Seeschlacht zwischen Oggau und Rust“ in die Geschichte eingeht.

1866 war der Neusiedler See noch immer ausgetrocknet. Daher wuchs am Ufer des Sees viel „Fischgras“, welches die Bewohner von Oggau auf den zwischen Rust und Oggau umstrittenen „Erbfischwässern“ an der Hottergrenze zu Rust im Herbst gemäht und eingesammelt haben, „um in dieser nothvollen Zeit einige Gulden hereinbringen zu können“. Das getrocknete Gras wurde als Einstreu verwendet und wurde das „Schöberl“ um 30 Kronen österreichischer Währung verkauft.

Am 5. November 1866, am Festtag des heiligen Emmerich, befindet sich noch eine große Menge dieses trockenen „Fischgrases“ am Oggauer Hotter, welches auch teilweise schon verkauft ist. Die Zeitung schreibt nun: „Viele Ruster wünschten nun, sich dieses Gewächs, fremdes Eingenthum, zu annektieren, d. h. ohne Geld an sich zu bringen. Dazu benützten sie, größtentheils Protestanten, die zwei hohen Gemeinde-Feiertage der echt katholischen Gemeinde Oggau“.

An besagtem Feiertag geht in Oggau jährlich von der Mutterkirche aus eine feierliche Prozession zu der etwa eine halbe Stunde entfernten Rosalienkapelle, wo das Hochamt gesungen wird, „um Gott für alle im Jahre erhaltenen geistigen und leiblichen Wohltaten den schuldigen Dank abzustatten“. Dieser Prozession „wohnen immer alle Männer, Weiber, Jünglinge und Mädchen, wie auch die Schuljugend bei, nur die ganz alten Leute hüten die kleinen Kinder zu Hause.

Diese Zeit der Andacht benützten die Ruster zum Raub. Während des dreistündigen Gottesdienstes fuhren sie mit 30 bis 40 Wagen auf das Oggauer Gebiet hinüber, raubten den armen Leuten ihre Streu, und führten dieselbe ungehindert nach Rust, weil sie wußten, daß kein einziger Mann als Wächter und Vertheidiger seines Eigenthums zugegen ist.“

Aber noch nicht genug: „Mit dem waren sie noch nicht zufrieden. Morgen, am 6. November, dachten sie, haben die Oggauer wieder einen Gemeinde-Feiertag, das Leonardi-Fest, da holen wir uns den Rest der Streu ab. Und so geschah es.“ Als nun alle Oggauer sich in der Kirche befanden, holten die Ruster den Rest der Streu mit einer großen Zahl von Wagen ab.

Die Zeitung schreibt weiter, daß nach dem Ende des Gottesdienstes viele Oggauer im „Feiertag-Anzuge“, ohne auch nur ein Stäbchen bei sich zu haben“, also ganz wehr- und waffenlos auf ihre Grundstücke hinausgingen, um nachzusehen „wie es mit ihrem Eigenthume stehe“. Aber was sehen sie? „Eine Bande von Räubern, die sämtliche Streu auf ihre Wagen ladeten“. Als die Oggauer nun ihr Eigentum beanspruchen und auch das Oggauer Ortsgericht hinauskommt, um den Streit zu schlichten, geschieht das Unglaubliche!

„Der Ruster Stadthauptmann, Odorfer, kommandiert Feuer; und auf einmal krachte es aus 15 bis 20 scharf geladenen Mordgewehren gegen die noch immer Wehrlosen Oggauer. Zwei fielen, ein Dritter erhielt einen schweren Kolbenschlag auf den Kopf und stürzte ebenfalles. Viele Kinder und Erwachsene Oggau´s erhielten Schrott in Leib und Füße, es floß unschuldiges Blut. Die zwei Gefallenen wurden alsbald mit den h. Sterbesakramenten versehen. Beide sind Militärs, die mehrere gefährliche Schlachten mitmachten, insbesondere kämpften sie heldenmüthig bei Custozza. Gott hat sie unversehrt in ihre Heimat zurückgeführt, und nun mussten sie räuberischen Händen erliegen.“

Weitere drei Männer aus Oggau werden schwer verletzt und es wird an ihrem Aufkommen gezweifelt. Als die Ruster ihr Blei verschossen haben, setzen sich verständlicherweise die Oggauer zur Wehr und „holten die mit leeren Gewehren flüchtenden Räuber ein“ und „mehrere von denselben mögen mit durchbläutem Rücken zu Hause angelangt sein.“

Die Ruster erstatten nun gegen die Bewohner von Oggau Anzeige beim Obergespan des Komitates Ödenburg. Von diesem wird ein Untersuchungsausschuß unter Führung des Vizegespans eingesetzt, welcher am 10. November 1866 zusammentritt und bereits am 14. November 1866 seinen Untersuchungsbericht abliefert. Der Bericht muß für die Ruster nicht sehr freundlich ausgefallen sein, gibt es doch Hinweise, daß die Bewohner der Freistadt Rust selbst den Grund für diese Exzesse geliefert haben könnten. Darüber hinaus dürften aber auch die Oggauer Bewohner ihren Anteil an der Auseinandersetzung gehabt haben, und überdies war das strittige Gebiet nicht eindeutig einer der beiden Gemeinden zuzuordnen.

Daher wird der Strafgerichtshof des Komitates Wieselburg mit der Abhandlung dieses Raufhandels beauftragt. Das Urteil wird am 19. April 1870 gefällt. 14 Ruster erhalten Gefängnisstrafen zwischen einem Jahr und einem Monat, 20 Oggauer müssen zwischen einem Monat und sechs Monaten hinter Gitter.

Anmerkung: Die Bürger beider Gemeinden dürften zwar noch mehrere Jahre „verfeindet“ gewesen sein. Gegenwärtig gibt es zwar noch unbedeutende Sticheleien, doch die Menschen leben seit dieser Auseinandersetzung in gut nachbarschaftlichen Beziehungen friedlich und freundschaftlich miteinander. Ehrschließungen mit Partnern aus den beiden Orten besiegeln diese Freundschaft immer wieder aufs Neue.

 

Diese modernen Wasserstandsmessungen, die in den Strandbäder rund um den See angebracht sind, zeigen die Tiefe millimetergenau an. Derzeit freuen wir uns über einen ständig steigenden Wasserstand. Sportliche Aktivitägen sowie Bootsfahren sind uneingeschränkt möglich.

Quelle : Wolfgang Bachkönig – Chronik der Freistadt Rust von 1850 bis 1950 DI Heribert Artinger
Fotos : Wolfgang Bachkönig
Ein Beitrag gefördert vom Land Burgenland

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